Nutzung kognitiver Verzerrungen: Einblicke in die Psychologie im Marketing
Einige sehen in Marketing nicht mehr als catchy Slogans, ein paar Bilder auf Social Media und einen wöchentlichen Newsletter. Doch dahinter steckt noch viel mehr. Das Potenzial, das Marketing birgt, ist riesig. Denn es sorgt – richtig gemacht – für Bekanntheit, ein gutes Image und hohe Verkaufszahlen. Kein Wunder ist Marketing für die allermeisten Unternehmen ein unerlässliches Instrument! Dabei geht es nicht nur um Kreativität. Denn ohne die richtige Strategie ist das Marketing zum Scheitern verurteilt. Dabei spielt die Psychologie im Marketing eine tragende Rolle. Inwiefern? Das erfährst Du im Folgenden.
Was ist Marketingpsychologie?
Um zu klären, was genau Du unter Marketingpsychologie verstehen kannst, müssen wir einen Schritt zurückgehen und uns anschauen, was Marketing überhaupt ist:
Das Marketing beschreibt sämtliche Aktivitäten zur Vermarktung eines Produkts oder einer Dienstleistung – egal, ob es darum geht, die Bekanntheit von Marke, Produkt oder Dienstleistung zu steigern, ein positives Image für das Unternehmen zu schaffen oder zum Kauf anzuregen.
Die Marketingmaßnahme lenkt die Aufmerksamkeit der Zielgruppe auf ein Produkt oder eine Dienstleistung und schafft eine positive Assoziation1. Wie das gelingt? Nicht selten mithilfe von psychologischen Prinzipien, die Unternehmen dabei helfen, das Kaufverhalten von Konsumentinnen und Konsumenten besser zu verstehen – und so zu beeinflussen. Unternehmen nutzen also ihre Kenntnisse über die psychologischen Prozesse der Käuferschaft, um ihre Botschaften effektiver zu gestalten: Die Rede ist von Marketingpsychologie.
Welche psychologischen Faktoren beeinflussen das Kaufverhalten?
Ob Du es glaubst oder nicht: Nur die seltensten Kaufentscheidungen basieren allein auf objektiven Bewertungen. Fast immer spielen dabei neben situativen, kulturellen, sozialen und persönlichen Faktoren auch psychologische Aspekte eine maßgebende Rolle. Dazu gehören
- subjektive Eindrücke,
- persönliche Vorlieben,
- Wünsche und Emotionen
- sowie Motivation.2
Auch wenn wir als Konsumentinnen und Konsumenten häufig das Gefühl haben, Kaufentscheidungen schnell zu treffen, sieht die Psychologie dahinter einen mehrstufigen Prozess – den sogenannten Conversion Funnel, der generell vier Phasen umfasst: Awareness (Aufmerksamkeit), Consideration (Erwägung), Decision (Entscheidung) und Sales (Kauf). Unabhängig davon, in welcher Phase sich die potenzielle Käuferschaft befindet: Es gibt immer ein passendes Instrument, das Unternehmen nutzen können, um die Kaufentscheidung zu ihren Gunsten zu beeinflussen.
Was gibt es für Werbestrategien? Einsatz kognitiver Verzerrungen im Marketing
Tag für Tag stehen wir Tausenden kleinen und großen Entscheidungen gegenüber. Würden wir jede davon durchdacht treffen, hätten wir keine Zeit mehr für andere Dinge. Wir wären den ganzen Tag nur am Analysieren, Bewerten und Entscheidungentreffen.
Daher verlassen wir uns häufig auf Faustregeln – sogenannte Heuristiken – um Zeit zu sparen und Entscheidungen zu vereinfachen.3 Das geschieht meist unbewusst und in der Regel bei kleinen Alltagsentscheidungen; kann allerdings zu irrationalen, kognitiven Verzerrungen führen – auch bekannt als Biases – da wir den oben erwähnten psychologischen Faktoren mehr Bedeutung zumessen als es bei rationalen Entscheidungen der Fall ist.
Der Nachteil der Konsumentinnen und Konsumenten ist der Vorteil der Marketer. Denn diese nutzen das Verständnis solcher Heuristiken und psychologischen Faktoren für ihre Werbestrategien und beeinflussen so die Denkweise, das Verhalten und im besten Fall die Kaufentscheidung der Verbraucherschaft. Einige dieser Prinzipien wollen wir uns im Folgenden näher anschauen.
Priming
Bei dieser Methode im Marketing geht es im Grunde darum, potenzielle Kundinnen und Kunden mit kleinen Details wie Farben im Design (visuelles Priming), bestimmten Wörtern (sprachliches Priming) oder dem Einsatz von Musik (emotionales Priming) in ihrem Kaufprozess zu beeinflussen. Kaufverhalten und -entscheidung werden dabei subtil gelenkt.
So haben Forscher in einer Studie beispielsweise herausgefunden, dass Probandinnen und Probanden beim Betrachten einer Webseite mit grünem Hintergrund (wie Dollar-Noten) eher auf den Faktor Geld achteten als diejenigen, die eine Webseite ohne diesen Reiz betrachteten.4 Im Marketing lässt sich die Priming-Technik nutzen, um Marketingbotschaften effektiver zu vermitteln und so im besten Fall zum Kauf anzuregen.
Social Proof
Unbekanntem stehen wir grundsätzlich erst einmal kritisch gegenüber. Um sicherer in einer Entscheidung zu werden, verlassen wir uns auf die Meinungen und Erfahrungen von Menschen, denen wir vertrauen. Wir hören auf ihr Urteil. Was das konkret bedeutet?
Hier ein Beispiel: Du ziehst in Deine erste eigene Wohnung und brauchst eine Geschirrspülmaschine. Es gibt auch weitaus günstigere Optionen, aber Deine Eltern schwören auf Haushaltsgeräte der Marke Y. Und so bist auch Du geneigt, Dir ein Gerät dieses Herstellers anzuschaffen. Mindestens wirst Du positive Emotionen mit dieser Marke verbinden.
Aber nicht immer findest Du eine vertraute Person, die Erfahrung mit dem Produkt hat, für das Du Dich interessierst. Dann setzt Du auf die Meinung der „Allgemeinheit“. Du folgst dem Beispiel anderer. Unternehmen können den sogenannten Social Proof auf verschiedene Art und Weise nutzen, beispielsweise als Erfahrungsberichte oder Bewertungen von Nutzerinnen und Nutzern. In den meisten Fällen beeinflussen nämlich sowohl positive als auch negative Bewertungen deine Kaufentscheidung.5
Das Konzept des Social Proof funktioniert aber nicht nur beim Kauf von Produkten. Ist das Ziel des Unternehmens mehr Abonnements für seinen Newsletter zu gewinnen, kann es unter dem „Follow“-Button darauf verweisen, dass bereits X Personen den Newsletter abonniert haben. Das schürt gewissermaßen FOMO (Fear of missing out) und motiviert zur Aktion. Der Newsletter hat immerhin nicht ohne Grund so viele Abonnentinnen und Abonnenten – er muss also gut sein.
Scarcity-Effekt: Knappheit
Auch die Verfügbarkeit beeinflusst die Kaufentscheidung – keine Frage! Stehen Dir im Supermarkt zwei verschiedene Varianten eines Produkts zur Verfügung, von denen eine die Aufschrift „Limited Edition“ trägt, wirst Du Dich mit höherer Wahrscheinlichkeit dafür entscheiden. Denn es ist nur eine begrenzte Zeit erhältlich, während Du das andere Produkt auch noch später kaufen kannst.
Das zeigt: Artikel, die begrenzt verfügbar oder schwer zu kriegen sind, genießen eine umso höhere Nachfrage. Die Käuferin bzw. der Käufer verspürt einen Druck, schnell handeln, also kaufen zu müssen.5 Dasselbe gilt übrigens nicht nur für limitierte Ausführungen von Waren – wie beispielsweise Lebensmittel, Kleidung oder Schuhe – sondern auch für Produkte mit kleinen Chargen. Das schafft ein Gefühl von Exklusivität.
Ein tolles Beispiel dafür ist der Stuttgarter Gin (GINSTR), der eine Abfüllmenge von nur 711 Flaschen pro Batch verzeichnet und daher sehr gefragt ist. Jede der Flaschen ist handschriftlich mit einer eigenen Kennziffer versehen.
Ein weiterer Trick, mit dem Unternehmen die Motivation der Kundschaft zum Kauf steigern können, ist die Anzeige der lagernden Produkte. Häufig ist zu lesen „Nur noch 4 Stück auf Lager“. Die Angst, etwas zu verpassen, ist meist zu groß, als dass Kundinnen und Kunden auf den Kauf verzichten würden.
Prinzip der Gegenseitigkeit: Reziprozität
Das Prinzip der Gegenseitigkeit, auch bekannt als Reziprozität, basiert auf der Annahme, dass Käuferinnen und Käufer eher dazu geneigt sind, ein Produkt zu erwerben, wenn das Unternehmen vorab etwas Gutes für sie getan hat. Beispielsweise Gratisproben, eine kostenlose Erstberatung oder Rabattcodes.
Das schafft Vertrauen und demonstriert den Wert des Unternehmens. Auch Content kann eine hervorragende Idee sein, der Kundschaft den eigenen Wert aufzuzeigen: von Blogbeiträgen über kostenlose eBooks bis hin zu Videos auf Social Media.5
Anker-Effekt
Eine weitere Methode, die zeigt, welche Rolle Psychologie im Marketing spielt, ist der Anker-Effekt. Demnach verwenden Verbraucherinnen und Verbraucher die Informationen, die zu Beginn des Entscheidungsprozesses zur Verfügung stehen – etwa den ersten Preis, den sie sehen – als eine Art Anker.
Um beim Beispiel zu bleiben: Personen orientieren sich bei der Beurteilung folgender Preise am ursprünglich genannten Preis. So können Unternehmen die Wahrnehmung potenzieller Konsumentinnen und Konsumenten beeinflussen, indem sie ihnen bei Aktionsprodukten nicht nur den reduzierten, sondern auch den ursprünglichen Preis zeigen. Daher hört man häufig in Werbung „Statt X Euro nur Y Euro!“.
Lockvogel-Taktik: Decoy-Effekt
Die Lockvogel-Taktik, auch bekannt als Decoy-Effekt, nutzt unbegehrte Optionen, um die Attraktivität einer anderen Option zu steigern. Besonders wirkungsvoll ist diese Methode bei Abonnements. Zahlst Du lieber 10,00 Euro pro Monat oder 7,50 Euro monatlich für ein Jahresabo? Letzteres ergibt einen Gesamtpreis von 90,00 Euro, im Vergleich zu 120,00 Euro beim monatlichen Abonnement.
Sicher ist Option 2, was das Preis-Leistungs-Verhältnis betrifft, deutlich attraktiver für Dich. Das motiviert nicht nur zur Wahl dieses Angebots, sondern bindet dich auch länger an das Unternehmen. Das Interesse steigt meist, wenn zusätzlich angezeigt wird, wie viel Du sparst, solltest Du Dich für den Jahrestarif anstelle des Monatstarifs entscheiden. „Drei Monate gratis“ oder „30 Euro sparen“ sind Beispiele dafür. Oder um das Ganze mit dem Anker-Effekt zu verbinden: „Statt 120 Euro nur 90 Euro!“.
Sunk Cost Fallacy
Die Sunk Cost Fallacy beschreibt die Neigung von Menschen, an der ausgewählten Option bzw. Entscheidung festzuhalten. Diese Neigung ist umso stärker, je mehr Du bereits dafür investiert hast. Die Wahrscheinlichkeit, dass Du weiter in der Supermarktschlange wartest, ist also umso höher, je länger Du bereits in der Schlange stehst. Denn sonst wäre die Zeit, die Du bisher wartend verbracht hast, verschwendet (Sunk Cost). Dieser Effekt lässt sich auch in der Psychologie im Marketing nutzen. Besonders effektiv ist er dann, wenn es um das Generieren von Daten wie E-Mail-Adressen potenzieller Kundinnen und Kunden geht. Diese Daten können Unternehmen nutzen, um aktuelle Aktionen oder Newsletter zu versenden. Dafür müssen sie nur ein kostenloses Angebot zur Verfügung stellen – zum Beispiel einen Test, der mehrere Minuten in Anspruch nimmt und dessen Ergebnis dann per E-Mail an die Teilnehmenden versandt wird.
Welche Werbung wirkt am besten?
Die Palette an Marketingstrategien ist breit. Und sofern Du sie richtig einsetzt, können sie unheimlich effektiv sein. Doch nicht jede Taktik ist auch für jedes Vorhaben geeignet. Wichtig ist, die eigene Zielgruppe zu kennen und zu wissen, wie und wo Du sie erreichen kannst. Ein Großteil der Verbraucherinnen und Verbraucher erwarten bei der Interaktion mit einer Marke ein personalisiertes Erlebnis.1
Unternehmen, die bereits einige Jahre auf dem Markt etabliert sind, wissen womöglich bereits, was in der Vergangenheit funktioniert hat und können anhand dieser Informationen zukünftige Strategien ableiten.5 Ist das nicht der Fall, gilt es Personas zu entwickeln, also idealtypische Vertreter der eigenen Zielgruppe. Diese helfen, den Kaufprozess besser zu verstehen und so Marketing und Vertrieb zu optimieren. Nach dem DISG-Modell lassen sich vier verschiedene Persönlichkeitstypen
Dominant (grün: sachorientiert und extrovertiert)
- Eigenschaften: Zielorientiert, energetisch und effizient
- Reize: Effizienz spielt eine große Rolle, daher keine langen Texte, sondern Bullet Points, klare Optionen und frühzeitige CTAs
Intuitiv (rot: beziehungsorientiert und extrovertiert)
- Eigenschaften: Lebhaft, umgänglich und begeistert
- Reize: Anerkennung spielt eine große Rolle, daher Erfahrungsberichte, Testimonials, Empfehlungen und Bilder von Menschen
Stetig (blau: beziehungsorientiert und introvertiert)
- Eigenschaften: Wertschätzend, mitfühlend und ausgeglichen
- Reize: Konsistenz und Sicherheit spielen eine große Rolle, daher ein einheitliches Design und Handling sowie ruhige Botschaften
- Außerdem eignen sich Testimonials, Social Proof, Garantien, Zertifikate und weitere Elemente, die Vertrauen wecken
Gewissenhaft (gelb: sachorientiert und introvertiert)
- Eigenschaften: Analytisch, reserviert und präzise
- Reize: Logik spielt eine große Rolle, daher eignen sich lange Texte mit Zahlen, Daten und Fakten
Fazit: Psychologie im Marketing
Zusammenfassend lässt sich sagen: Gutes Marketing zeichnet sich nicht nur durch kreativen Content aus. Ebenso wichtig ist die richtige Strategie. Dafür braucht es ein Verständnis der Zielgruppe und dafür, was für sie relevant ist. Hier lassen sich vier Persönlichkeitstypen unterscheiden: dominant, intuitiv, stetig und gewissenhaft. Auf der anderen Seite müssen Unternehmen auch Kenntnis darüber haben, in welcher Phase des Conversion Funnel sich die potenzielle Kundschaft befindet. Je nach Persönlichkeitstyp und Stufe im Kaufprozess, gibt es geeignete Strategien, durch die Marketer die Denkweise der Zielgruppe subtil lenken und Kaufentscheidungen zu ihren Gunsten beeinflussen können. Das zeigt die eindrückliche Wirkung der Psychologie im Marketing – ein effektives Instrument!
Quellen:
2 https://onma.de/online-marketing-lexikon/einflussfaktoren-des-kaufverhaltens/
3 https://www.mobile-university.de/psychologie/anwendung-psychologie-werbung-marketing/
4 https://blog.hubspot.de/marketing/psychologie-im-marketing